Anforderungen an die Berufungsbegründung bei mehreren Streitgegenständen
Der Entscheidung des VIII. Zivilsenats (Az. VIII ZR 137/21) lag die Klage der Käuferin eines Oldtimers gegen den Verkäufer wegen eines abredewidrig nicht reparierten Defekts der Klimaanlage sowie eines arglistig verschwiegenen schweren Unfalls des Fahrzeugs mit wahrscheinlichem Austausch des gesamten Vorderbaus zugrunde. Nach Rücktritt vom Kaufvertrag und dessen Anfechtung hatte die Klägerin Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, Zahlung von Transport- und Unterstellkosten, Feststellung des Annahmeverzugs des Verkäufers, Feststellung dessen Haftung auf Kaufpreiszahlung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, ferner die Erstattung von Rechtsanwaltskosten gefordert.
Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos, die Berufung der Klägerin war wegen des Mangels der Klimaanlage im Hinblick auf die Zahlungsforderungen mit Ausnahme eines Teils der Zinsen erfolgreich.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) des Beklagten darin gesehen, dass das Berufungsgericht allein gestützt auf einen Mangel der Klimaanlage dem Rückabwicklungs- und den Zahlungsbegehren der Klägerin stattgegeben hat, ohne den Beklagten zuvor darauf hinzuweisen. Die Berufung sei insoweit unzulässig gewesen, da die Klägerin diesen Streitgegenstand nicht wirksam zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt habe. Zwar habe die Klägerin einen unbeschränkten Berufungsantrag gestellt, ihr Rechtsmittel aber lediglich auf den verschwiegenen Vorschaden und dessen umfangreiche, teils nicht fachmännische Reparaturen gestützt, nicht auf den Defekt der Klimaanlage. Selbst den Sachverhalt habe die Klägerin in der Berufungsbegründung ohne Erwähnung der Klimaanlage geschildert.
Der in Art. 103 Abs. 1 GG festgehaltene Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleiste den Parteien das Recht, sich sowohl zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt als auch zur Rechtslage zu äußern. Der VIII. Zivilsenat weist weiter darauf hin, dass das Äußerungsrecht der Parteien eng mit deren Recht auf Information und dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen verknüpft sei. Die Verfahrensbeteiligten müssten danach unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Eine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts ergebe sich aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht, lediglich in besonderen Fällen eine Hinweispflicht, wenn das Gericht eine Würdigung vornehmen will, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen könne.
Stütze ein Käufer seinen Rücktritt vom Vertrag auf mehrere Mängel des Kaufgegenstands, liegen nach Auffassung des BGH mehrere Streitgegenstände vor. Es handele sich um unterschiedliche Lebensvorgänge; das Gericht müsse für jeden einzelnen Mangel gesondert prüfen, ob die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen. Unter anderem sei für jeden Mangel eine Nacherfüllungsaufforderung notwendig.
Ob der Beklagte erkannt habe, dass zwei Streitgegenstände vorliegen, sei unerheblich. Er habe nach dem Inhalt der Berufungsbegründung davon ausgehen dürfen, dass der nur erstinstanzlich gerügte Mangel der Klimaanlage für das Berufungsurteil keine Rolle spielen würde. Ohne entsprechenden Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO habe er hierzu nicht vortragen müssen. Ein Anlass zu weiterem Vortrag habe sich auch nicht daraus ergeben, dass das Berufungsgericht die Klägerin nicht auf eine teilweise Unzulässigkeit der Berufung hingewiesen habe; denn einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Berufung bedürfe es nicht. Einen Hinweis des Gerichts habe der Beklagte auch deshalb erwarten können, da er in erster Instanz auch betreffend die unterlassene Reparatur der Klimaanlage obsiegt habe.
Das Berufungsgericht habe auch gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es seinem Urteilsausspruch einen anderen Klagegrund zugrunde gelegt habe als den, mit dem die Klägerin ihre Berufung begründet hat.
Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass sich eine Partei zwar eine für sie günstige Zeugenaussage zu Eigen machen könne und hierin eine wirksame Erweiterung des Berufungsangriffs liegen könne. Allerdings sei im Zeitpunkt der Zeugenaussage die Frist zur Begründung der Berufung, § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO, bereits abgelaufen gewesen, so dass die unzulängliche Rechtsmittelbegründung nicht mehr habe geheilt werden können.