BGH: Darlehenszinsen per Definition nicht negativ
Mit dem Urteil (Az. XI ZR 544/21) hat der BGH eine Klage eines Bundeslands gegen eine Bank auf Zahlung sogenannter "Negativzinsen" abgewiesen. Die Bank hatte dem Land im Jahr 2007 ein als solches bezeichnetes Darlehen gewährt, die Vertragskonditionen hatte der Kläger vorgegeben. Nach Auszahlung der vereinbarten Summe überließ der Kläger der Bank fünf Schuldscheine über jeweils € 20.000,00. In den Schuldscheinen war jeweils die jährliche Verzinsung der Darlehenssumme nach einer bestimmten, auf dem Nominalzins des 3-Monats-EURIBOR beruhenden Formel vorgegeben. Der Höchst-Zinssatz sollte 5% betragen. Im letzten Jahr der vereinbarten Laufzeit, ab März 2016, fiel der Referenzzins so deutlich, dass der nach der vereinbarten Formel zu zahlende Zins einen negativen Wert aufwies, der sich bis zum Vertragsende auf mehr als den anderthalbfachen Darlehensbetrag summierte.
Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden, dass bei Vereinbarung eines sich nach einer bestimmten Formel automatisch ändernden Zinssatzes der Zins im niedrigsten Fall "null" betragen kann. Eine Zinsuntergrenze muss dafür nicht vereinbart werden, auch wenn es eine ausdrückliche Regelung einer Zinsobergrenze gebe.
Zur Begründung erläutert der BGH, dass der gesetzlich nicht definierte Begriff des Zinses ein Entgelt für die befristete Überlassung von Geld beschreibt, das abhängig von der Dauer der Überlassung, aber unabhängig von Umsätzen und/oder Gewinn berechnet werde. Ein derartiges Entgelt könne daher schon nach der Definition nie negativ werden, allenfalls null betragen. Eine Umkehrung des Zahlungsstroms vom Darlehensgeber an den Darlehensnehmer widerspreche dem Grundgedanken des Darlehens und dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB, könne daher nicht vereinbart werden. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Ausstellen von Schuldscheinen.
Auch aus dem Umstand, dass die Parteien eine Zinsobergrenze, aber keine entsprechende Untergrenze vereinbart hätten, könne kein Anspruch auf einen "Negativzins" abgeleitet werden. Denn es sei zu unterstellen, dass die Parteien bei Vertragsschluss entweder von vornherein davon ausgegangen seien, dass der Zins aufgrund der Marktentwicklung nicht negativ werde, oder aber schon definitorisch einen Negativzins ausgeschlossen hätten.
Der Kläger könne sich auch nicht auf das Äquivalenzprinzip berufen, um die Wertigkeit von Leistung und Gegenleistung neu zu bemessen. Daher komme es nicht darauf an, ob die Bank wegen des gesunkenen Referenzzinssatzes ihre Refinanzierungs- oder Gewinnmarge habe erhöhen können. Redliche Vertragspartner würden der Zinsklausel nicht entnehmen, dass die Bank das Geschäft zu diesem Zinssatz refinanziert. Vielmehr umfasse der Erwartungshorizont des Bankkunden nicht die Frage, wie die Bank Verträge refinanziere.
Die Auslegung von Zinsen als per Definition niemals negativ ist über Darlehensverträge hinaus von Bedeutung. Bisher noch nicht entschieden hat der BGH indes über die Zulässigkeit sog. Verwahrentgelte, die teilweise ebenfalls als Negativzinsen bezeichnet werden.