BGH erkennt Anspruch der Erben auf Zugang zu Benutzerprofilen sozialer Netzwerke an


BGH erkennt Anspruch der Erben auf Zugang zu Benutzerprofilen sozialer Netzwerke an

BGH erkennt Anspruch der Erben auf Zugang zu Benutzerprofilen sozialer Netzwerke an

Mit einem viel beachteten Urteil vom 12.07.2018 - III ZR 183/17 - hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Facebook Inc. den Eltern einer im Alter von 15 Jahren Verstorbenen den Zugang zum Benutzerprofil der Tochter verschaffen muss. Diese hatte im Alter von 14 Jahren mit Einverständnis ihrer Eltern ein Benutzerkonto in dem sozialen Netzwerk eingerichtet, über das sie sich nicht nur öffentlich, sondern auch durch private Nachrichten mit Dritten austauschen konnte. Die Eltern sahen sich nach dem Unfalltod, dessen Umstände nicht abschließend geklärt werden konnten, u.a. Ansprüchen des beteiligten S-Bahn-Fahrers ausgesetzt und suchten den Suizidvorwurf zu entkräften. Das Benutzerkonto befand sich im sog. Gedenkzustand, bei dem weder eine Änderung der Inhalte noch ein Zugang zum Konto mit den Benutzerdaten möglich war.

Anders als das Berufungsgericht stellt der BGH insbesondere auf den Nutzungsvertrag der Tochter mit der Betreiberin des sozialen Netzwerks ab, der im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben, in diesem Fall die Eltern, übergegangen sei. Die Vererbung des Nutzungsvertrags sei vertraglich nicht ausgeschlossen worden. Die Bestimmungen über den Gedenkzustand - Allgemeine Geschäftsbedingungen - seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen und hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand.

Wie der III. Zivilsenat weiter betont, ergebe sich auch aus der Natur des Benutzungsvertrags nichts anderes. Insbesondere bestünde zwar ein schutzwürdiges Vertrauen der Teilnehmer daran, dass der Betreiber des sozialen Netzwerks vertrauliche Nachrichten nicht veröffentliche. Allerdings könne nicht verlangt werden, jeden Dritten von den persönlichen Inhalten auszuschließen. Auch der Kontoinhaber könne zu Lebzeiten anderen Personen Zugang zu diesem gewähren, weshalb Nutzer nicht uneingeschränkt auf die Privatheit der Kommunikation vertrauen dürften. Gleiches müsse für die Vererbung des Nutzerkontos gelten. Dabei sei auch kein Grund ersichtlich, zwischen vermögensbezogenen und höchstpersönlichen Inhalten zu unterscheiden.

Vollkommen zu Recht zieht der BGH dabei einen Vergleich zu Briefen und Tagebüchern Verstorbener. Wenn der Empfänger diese aufbewahrt hat, können dessen Erben von deren Inhalt ebenfalls Kenntnis nehmen und über eine eventuelle Veröffentlichung entscheiden, wie namentlich im Hinblick auf berühmte Persönlichkeiten oder aber Zeitzeugen vielfach geschehen.

Dass die Kenntnisnahme der Erben vom Gesetzgeber gebilligt werde, belege auch die Bestimmung in § 2047 Abs. 2 BGB, wonach Schriftstücke, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers, dessen Familie oder den ganzen Nachlass beziehen, auch nach Verteilung der Erbschaft den Erben gemeinschaftlich gehörten. Hierfür spreche auch § 2373 Satz 2 BGB, der regelt, dass Familienpapiere und Familienbilder bei einem Erbschaftsverkauf im Zweifel als nicht mit verkauft gelten.

Den hiergegen eingewandten postmortalen Persönlichkeitsrechten Verstorbener misst der BGH dagegen kein überwiegendes Gewicht zu. Gleiches gilt für das Fernmeldegeheimnis, da die Erben bereits nicht Dritte im Sinne des § 88 TKG seien.

Schließlich hat der BGH den Fall zum Anlass genommen, auch die erst seit Ende Mai zwingenden Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und des zeitgleich in Kraft getretenen reformierten Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG 2018) in die Entscheidung einzubeziehen. Allerdings stünden auch diese Normen dem Zugang der Erben zum Benutzerkonto nicht entgegen. Verstorbenen könnten keine Rechte aus den Datenschutzgesetzen zustehen, im Verhältnis zu den Kommunikationspartnern könnten die Erben sich auf vorrangige Interessen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO berufen. Zudem sei die der Zugangsgewährung immanente Datenverarbeitung auch zur Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen des Betreibers des sozialen Netzwerks gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b Var. 1 DS-GVO erforderlich.