Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

BGH: Weitere Beteiligung des Urhebers bei unfreien Bearbeitungen

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 07.04.2022 (I ZR 222/20) eingehend erläutert, dass es auch nach der Urheberrechtsänderung im Juni 2021 für die weitere Beteiligung des Urhebers darauf ankommt, ob die Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks sich im Rahmen des urheberrechtlichen bzw. vereinbarten Schutzbereichs bewegt. Für die Abgrenzung zur (nicht zu vergütenden) freien Benutzung kommt es nach wie vor maßgeblich auf die Wiedererkennbarkeit des geschützten Werks in dem neu geschaffenen Werk an.

Die Tochter und Erbin eines verstorbenen früheren Abteilungsleiters von Porsche, der mit der Entwicklung der Porsche-Modelle 356 und 911 befasst gewesen war, verlangte von der beklagten Porsche AG die Zahlung einer angemessenen Beteiligung an den Erlösen aus dem Verkauf der ab 2011 hergestellten Baureihe 991 des Porsche 911. Sie hatte geltend gemacht, die Gestaltung dieser Baureihe weise wesentliche Gestaltungselemente der maßgeblich von ihrem Vater mitentwickelten Modelle auf. In welchem Umfang ihr Vater an der Gestaltung der Modelle beteiligt war, stand zwischen den Parteien im Streit.

Die in den ersten beiden Instanzen erfolglose Klage ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs neu zu verhandeln.

Der Urheber kann nach § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG eine Anpassung des Vertrags über die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten (und damit eine weitere angemessene Vergütung) verlangen, wenn die vereinbarte Gegenleistung im Verhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung unverhältnismäßig niedrig ist. Bis zum 06.06.2021 musste die Vergütung des Urhebers noch in einem auffälligen Missverhältnis zum Ertrag aus der Nutzung des Werks stehen. Der BGH stellt in der Entscheidung klar, dass die im Jahr 2002 in Kraft getretene Regelung zur weiteren Beteiligung auch auf ältere Sachverhalte - wie hier u.a. aus den 1960er Jahren - anzuwenden ist (§ 132 Abs. 3 S. 2 UrhG). Zudem kann auch in einem Anstellungsverhältnis sowie vom Erben des Urhebers weitere angemessene Beteiligung verlangt werden.

Für eine weitere angemessene Beteiligung i.S.v. § 32a UrhG sei jedoch eine Nutzung innerhalb des Schutzbereichs der dem Urheber zustehenden Verwertungsrechte erforderlich, bei einer Nutzung außerhalb des Schutzbereichs bedürfe es einer Werknutzung im Rahmen der vertraglich eingeräumten Nutzungsrechte. Anderenfalls komme ggf. ein Schadenersatzanspruch des Urhebers in Betracht. Diese Grundsätze gälten auch für die Neuregelung seit Juni 2021.

Für das ältere Modell 356 bestehe zwar aufgrund vieler eigentümlicher Details urheberrechtlicher Schutz als Werk der angewandten Kunst, auch sei der Vater der Klägerin als Urheber anzusehen. Bei der maßgeblichen Prüfung des Gesamteindrucks der Modelle seien diejenigen Elemente, die den Urheberrechtsschutz des Porsche 356 begründeten, jedoch nicht mehr in der Gestaltung der Baureihe 991 wiederzuerkennen. Das frühere Werk sei daher nicht i.S.v. § 15 UrhG verwertet worden, das Vervielfältigungs- und das Verbreitungsrecht des Designers seien nicht verletzt. Daher komme es nicht darauf an, ob das neue Modell ebenfalls urheberrechtlich geschützt sei und ob eine zulässige freie Benutzung i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG vorliege.

Allerdings scheide eine weitere angemessene Beteiligung dann aus, wenn eine freie Benutzung im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG (bzw. § 24 Abs. 1 UrhG in der bis zum 06.06.2021 geltenden Fassung) vorliege. Dafür komme es entscheidend darauf an, ob das neue Werk ausreichenden Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks hält. Eine freie Benutzung liege vor, wenn die eigenpersönlichen Züge des geschützten Werks angesichts der Eigenart des neuen Werks verblassten und das ursprüngliche Werk nur noch als Anregung zu der neuen Schöpfung gesehen würde. Dabei begründet der BGH ausführlich, warum diese Wertung mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Auch stellt der BGH die erforderliche Prüfungsreihenfolge dar.

Bei dem Original-Modell des Porsche 911 sei eine weitere Beweisaufnahme zur Urheberschaft des Vaters erforderlich. Zu dem insoweit zu führenden Indizienbeweis hat der Bundesgerichtshof anschaulich seine Rechtsprechung bestätigt, dass die Vorlage einer Urkunde von der Gegenseite nur unter eingeschränkten Voraussetzungen verlangt werden kann. Namentlich sind die Urkunde, ihr Inhalt und die zu beweisenden Tatsachen möglichst genau zu bezeichnen, außerdem die Umstände, die erwarten lassen, dass der Gegner die Urkunde besitzt sowie der Grund für die Verpflichtung zur Vorlage der Urkunde. Außerdem bedarf es eines schutzwürdigen Interesses an der Urkundenvorlage, diese darf nicht dazu dienen, erst die Anhaltspunkte für eine Rechtsverfolgung zu ermitteln. Schließlich stellt der BGH klar, dass ein Gericht ein (mutmaßlich) verspätetes Beweisangebot nicht zurückweisen darf, ohne die Partei auf die Verspätung hinzuweisen und dies zu begründen.