BGH zu Insolvenzverfahren: Stundung einer Forderung aus Austauschgeschäft kann als Darlehen qualifiziert werden
Der Entscheidung lag die Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters über das Vermögen einer GmbH gegen eine Schwester-Gesellschaft der Schuldnerin zugrunde. Alleingesellschafter beider Unternehmen war eine in einem anderen EU-Staat ansässige Gesellschaft. Die schuldnerische GmbH hatte der beklagten Schwester-Gesellschaft u.a. aufgrund Ende des Jahres 2008 erbrachter vertraglicher Dienstleistungen Anfang Juli 2009 Vergütung in Höhe von ca. € 31.000 überwiesen. Danach verfügte sie noch über Guthaben auf ihrem Konto. Auf Eigenantrag vom 30.12.2009 wurde im März 2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Das Berufungsgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Schädigung gem. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO bzw. § 133 Abs. 2 S. 1 InsO a.F. greife nicht, da es einerseits an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, andererseits einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bei der Vornahme der Zahlung fehle. Im Umfang der hier erörterten Zahlung hat der BGH das klagestattgebende landgerichtliche Urteil wiederhergestellt.
Der BGH hat die Würdigung des Berufungsgerichts insoweit beanstandet, als dieses nicht die Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wegen der Rückzahlung einer dem Gesellschafterdarlehen gleichgestellten Forderung angenommen hat. Die beklagte Schwestergesellschaft unterliege als mit der Schuldnerin verbundenes Unternehmen der Anfechtung wegen der Befriedigung von Gesellschafterdarlehen nach § 135 InsO. Dies ergebe sich aus dem Zweck des Gesetzes.
Bei der Zahlung auf die Dienstleistungsvergütung handele es sich um die Begleichung einer darlehensgleichen Forderung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Diesem insolvenzrechtlichen Nachrang seien nicht nur klassische Darlehensforderungen, sondern auch solche Forderungen unterworfen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprächen. Dies ergebe sich aus dem früheren Eigenkapitalersatzrecht.
Einem Darlehen entsprechen, so der BGH, alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet werden, da eine Stundung wirtschaftlich betrachtet eine Darlehensgewährung bewirke. Das Unternehmen, dem eine Forderung gestundet würde, könne den Betrag gleich einem Darlehen kapitalmäßig nutzen und darauf verzichten, sich anderweitig Kreditmittel zu verschaffen.
Ein Darlehen scheide bei einer bargeschäftlichen Abwicklung aus. Des Weiteren führe nicht jede über den für ein Bargeschäft unschädlichen Zeitraum von 30 Tagen hinaus gewährte Stundung dazu, dass eine Forderung aus einem sonstigen Austauschgeschäft zu einem Darlehen werde. Abzustellen sei auf den im Geschäftsleben üblichen Umfang von Stundungen, der merklich überschritten sein müsse. Hierbei sei § 271a Abs. 1 BGB zu beachten, der Stundungen über mehr als 60 Tage unter bestimmte Bedingungen stellt. Eine Darlehensgewährung liege erst dann vor, wenn der Gesellschaft zur Tilgung einer Gesellschafterforderung über diesen Zeitraum hinaus ein zusätzlicher Zahlungszeitraum eröffnet wird und sich angesichts des Geschäfts insgesamt der Schluss auf eine Kreditgewährung unzweifelhaft aufdränge.
Eine Stundung von mehr als drei Monaten wie im entschiedenen Fall stelle daher eine darlehensgleiche Forderung dar. Hierfür spreche auch die ordentliche Kündigungsfrist für Darlehen von drei Monaten.
In der Praxis wird künftig genau darauf zu achten sein, Stundungen gegenüber verbundenen bzw. nahestehenden Vertragspartnern lediglich bis zu 60 Tage, längstens aber weniger als drei Monaten zuzulassen.