BGH zur Beweislast - Ersitzung gestohlener Kunstwerke


BGH zur Beweislast - Ersitzung gestohlener Kunstwerke

BGH zur Beweislast - Ersitzung gestohlener Kunstwerke

Mit Urteil vom 19.07.2019 (Az. V ZR 255/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die Beweislastregeln des § 937 BGB auch dann gelten, wenn der betroffene Gegenstand, hier zwei Kunstwerke, gestohlen wurde. Der Bestohlene muss danach beweisen, dass der Besitzer des Gegenstands im Zeitpunkt des Erwerbs in gutem Glauben über die Berechtigung an dem Gegenstand war.

Hintergrund der Entscheidung ist die Klage eines Enkels des Malers Hans Purrmann auf Herausgabe zweier Gemälde, die seinen Eltern im Jahr 1986 neben weiteren Bildern gestohlen worden seien. Der beklagte Besitzer dieser Bilder, ein Autoteile-Großhändler, verfügt nach den Feststellungen des BGH nicht über besondere Kunstkenntnisse. Er wandte sich im Jahr 2009 an ein Auktionshaus, um die Bilder versteigern zu lassen, von wo aus die Polizei verständigt wurde. Die Bilder wurden beschlagnahmt, ein gegen den Beklagten eingeleitetes Ermittlungsverfahren eingestellt.

Der Beklagte gab an, er habe die Bilder 1986 oder 1987 von seinem Schwiegervater geschenkt bekommen, der angegeben habe, sie von einem Antiquitätenhändler erworben zu haben. Die Bilder hatten im Wohnhaus, später im Betrieb des Beklagten gehangen, bevor sie in einem Schrank im Betriebsgebäude verwahrt wurden.

Der BGH hat das in den ersten beiden Instanzen erfolglose Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sei.

Bekanntlich erwirbt nach § 937 Abs. 1 BGB derjenige das Eigentum an einer beweglichen Sache, der sie zehn Jahre im Eigenbesitz hatte. Den zehnjährigen Eigenbesitz muss der Besitzer beweisen. Ausgeschlossen ist der Eigentumserwerb nach § 937 Abs. 2 BGB allerdings dann, wenn der Besitzer bei dem Erwerb der Sache nicht in gutem Glauben ist oder er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht. Diese Umstände hat der frühere Besitzer, der die Sache herausverlangt, zu beweisen.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs muss der frühere Besitzer den fehlenden guten Glauben des Erwerbers nach den vorgenannten Grundsätzen auch dann beweisen, wenn ihm die Sache gestohlen worden oder aber verloren gegangen bzw. sonst abhandengekommen ist. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, da der Ausschluss der Ersitzung bei Bösgläubigkeit bewusst als Ausnahme geregelt worden sei, anstelle die Gutgläubigkeit als Voraussetzung des Eigentumserwerbs zu fordern. Auch habe der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung gerade für Fälle gestohlener oder abhandengekommener Sachen geschaffen, so dass eine anderweitige Auslegung nicht zulässig sei.

Gleichwohl erkennt der BGH, dass diese Beweislastverteilung für den früheren Besitzer gestohlener oder abhandengekommener Sachen bzw. Kunstwerke praktisch unüberwindbare Beweisschwierigkeiten nach sich zu ziehen droht. Daher sei der aktuelle Besitzer im Rahmen der sog. sekundären Darlegungslast verpflichtet, zu erläutern, unter welchen Umständen er die Sache erworben habe, d.h. inwieweit er bei dem Erwerb gutgläubig gewesen sei. Gelinge es dem früheren Besitzer, diesen Vortrag zu widerlegen, sei er seiner Beweispflicht für Bösgläubigkeit nachgekommen. Hierfür bedürfe es selbstverständlich hinreichender Feststellungen des Tatrichters.

Ergänzend hat der BGH in diesem Urteil klargestellt, dass gerade Laien im Bereich des Kunsthandels nicht generell Nachforschungen zur Herkunft eines Kunstwerks anstellen müssen. Das Unterlassen von Recherchen schade dem guten Glauben nicht. Anderes gelte aber, sofern besondere Umstände bei dem Erwerb allerdings einen Verdacht erregen mussten. Welche Umstände zu einem solchen Verdacht führen können, wird voraussichtlich Gegenstand künftiger Verfahren sein.

Die aktuelle Entscheidung des BGH zeigt erneut die häufig entscheidende Bedeutung der Darlegungs- und Beweislast und deren Abstufungen in Verfahren auf. Hierauf sollte bei der Prozessführung von Beginn an besonderes Augenmerk gelegt werden.