Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Einheitspreisvertrag: Bauablaufpläne keine Anordnungen i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B

Der Bundesgerichtshof hat die Voraussetzungen einer Änderung des Bauablaufs im Einheitspreisvertrag i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B mit Urteil vom 19.09.2024 näher dargelegt. Danach bedarf es für eine Änderungsanordnung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung, der der Wille zu entnehmen ist, den Vertrag einseitig zu ändern. Die Auslegung nach den allgemeinen Regeln ergibt, so der BGH weiter, dass Reaktionen auf Bauablaufstörungen, auch in Form geänderter Bauablaufpläne, keine Änderung in diesem Sinne darstellen. Zudem hat der BGH bestätigt, dass ein Schadenersatzanspruch gem. § 6 Abs. 6 VOB/B die Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber voraussetzt, nicht lediglich einer Obliegenheit.

Der BGH hat mit diesem Urteil (Az. VII ZR 10/24) die Klage einer Bauunternehmerin auf weitere Vergütung ihrer Leistungen (Mehrkosten wegen Containergestellung und gestiegener Tariflöhne) im mittleren fünfstelligen Bereich im Rahmen eines Einheitspreisvertrags endgültig abschlägig beschieden. In den Ausschreibungsunterlagen zum Bauvorhaben waren konkrete Daten für Ausführungsbeginn und abnahmereife Fertigstellung genannt. Die klagende Bauunternehmerin hatte erstmals kurz nach dem geplanten Baubeginn eine Baubehinderung wegen fehlender Abnahmereife angezeigt. Die ihr im weiteren Verlauf übergebenen Bauablaufpläne sahen eine Ausführung der klägerischen Arbeiten zunächst nur in Teilbereichen und die Fertigstellung mehrere Monate nach dem in der Ausschreibung genannten Datum vor. Ein später erstellter Bauablaufplan sah eine weitere Verschiebung der Fertigstellung um einen Monat vor.

Der BGH legt § 2 Abs. 5 VOB/B, wobei es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, dahin aus, dass eine vertragsändernde Anordnung in diesem Sinne eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers erfordert, die einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeiführen solle. Das liege für die Änderung eines Bauentwurfs gem. § 1 Abs. 3 VOB/B auf der Hand, für eine „andere Anordnung“ i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B könne nichts anderes gelten.

Abzugrenzen seien derartige Anordnungen von Störungen des Vertrags aufgrund Behinderungen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen und keinen Mehrvergütungsanspruch, sondern ggf. Schadenersatz- bzw. Entschädigungsforderungen (§ 6 Abs. 6 S. 1 bzw. 2 VOB/B i.V.m. § 642 BGB) zur Folge haben.

Ob eine Erklärung oder ein Verhalten des Auftraggebers als Anordnung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B zu verstehen ist, ermittelt der BGH nach §§ 133, 157 BGB durch Auslegung. Eine Anordnung in diesem Sinne liege nicht vor, wenn eine Störung im Bauablauf eingetreten ist, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt und der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und dessen Folge mitteilt, dass die Leistungen derzeit nicht ausgeführt werden können. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers sei eine solche Mitteilung keine rechtsgeschäftliche Erklärung einer Vertragsänderung, da damit nur bestätigt werde, was ohnehin durch die Behinderung bereits eingetreten sei. Übermittelt der Auftraggeber dem Auftragnehmer (geänderte) Bauablaufpläne, die auf die Störungen des Vertrags reagieren, stellt auch das keine Anordnung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B dar – selbst dann nicht, wenn die Bauablaufpläne die Ausführungsfristen konkretisieren. Denn der Auftraggeber erfülle damit seine Koordinierungsaufgabe bei dem Zusammenwirken verschiedener Auftragnehmer. Auch die Benennung einer Vertragsfrist als verbindlich in einer Bauberatung führe nicht zu einer anderen Auslegung.

Zudem hält der BGH an seiner Rechtsprechung fest, wonach der Schadenersatzanspruch des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B voraussetzt, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht wurde, die wiederum auf einer Vertragspflichtverletzung des Auftraggebers beruhen. Dagegen genügen bloße unverschuldet eingetretene Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers nicht. Die Norm verlange das Vertretenmüssen und nehme damit auf § 276 BGB Bezug, die denkbaren Verschuldensformen setzten stets eine zurechenbare objektive Pflichtverletzung des Schuldners voraus. Auch eine Verletzung von (Mitwirkungs-)Obliegenheiten genüge demgegenüber nicht. Beauftrage ein Auftraggeber Vorleistungen anderer Auftragnehmer nicht rechtzeitig, stelle das keine Pflicht-, sondern eine bloße Obliegenheitsverletzung dar.