Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Ermächtigung zur Nutzung genehmigten Kapitals mit Ausschluss des Bezugsrechts mit Zwecken nur im Vorstandsbericht

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass die Zwecke der Ermächtigung, ein genehmigtes Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts auszunutzen, nicht im Ermächtigungsbeschluss benannt werden müssen, sondern in einem Vorstandsbericht enthalten sein können. Dieser muss der Hauptversammlung nach §§ 203 Abs. 2 S. 2, 186 Abs. 4 S. 2 AktG zugänglich gemacht werden. Die Zwecke müssen nicht abschließend aufgezählt werden, die beispielhafte Nennung von Ausschlussfällen genügt.

Eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft mit auf den Inhaber lautenden Stückaktien ohne Nennbetrag kündigte in der Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung im Jahr 2017 einen Beschluss über die Ermächtigung des Vorstands zur Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre an. Die zu beschließende Fassung der entsprechenden Satzungsänderung war mit der Einladung veröffentlicht, zudem ein Vorstandsbericht. Dieser gab u.a. an, der erleichterte Bezugsrechtsausschluss i.S.v. § 186 Abs. 3 S. 4 AktG komme in Betracht bei einer Barkapitalerhöhung, wenn dies erforderlich erscheine, um einen höheren Ausgabekurs der Aktien zu erzielen, als es bei Gewährung des gesetzlichen Bezugsrechts der Fall wäre, bei Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen zur Gewährung von Aktien beim Erwerb von Unternehmen oder sonstigen Vermögensgegenständen oder zur Gewährung von Aktien beim Erwerb von gegen die Gesellschaft gerichteten näher bezeichneten Geldforderungen. Die Hauptversammlung stimmte der Änderung mit der erforderlichen Mehrheit zu.

Eine Aktionärin, die dem Hauptversammlungsbeschluss widersprochen hatte, erhob Anfechtungsklage gegen diesen, soweit der Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechts ermächtigt wurde, hilfsweise gegen den gesamten Beschluss. Die Klage ist in allen drei Instanzen ohne Erfolg geblieben.

Der II. Zivilsenat des BGH entschied (Az. II ZR 141/21), der von der Hauptversammlung gefasste Beschluss, mit dem der Vorstand zur Schaffung eines genehmigten Kapitals und dazu ermächtigt wurde, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen, verstoße weder gegen das Gesetz noch gegen die Satzung. Die Hauptversammlung dürfe die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre im Rahmen genehmigten Kapitals dem Vorstand nach dessen pflichtgemäßem Ermessen überlassen. Auch müssten die Zwecke, die der Bezugsrechtsausschluss verfolge, weder abschließend noch im Beschluss selbst ausgewiesen werden.

Genehmigtes Kapital solle der Aktiengesellschaft bzw. ihren Verwaltungsorganen die erforderliche Bewegungsfreiheit geben, um Gelegenheiten auf dem Kapital- und Beteiligungsmarkt schnell und flexibel nutzen zu können. Das erfordere es im Einzelfall, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Zudem stehe es der Hauptversammlung grundsätzlich frei, die Grenzen der von ihr erteilten Ermächtigung zu bestimmen. Auch sei der Gesetzgeber bei § 203 Abs. 2 AktG davon ausgegangen, dass der Vorstand das genehmigte Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts auch dann ausnutzen dürfe, der im Zeitpunkt der Ermächtigung durch die Hauptversammlung noch nicht absehbar gewesen sei. Zudem sei über fünf Jahre hinweg nicht vorhersehbar, wofür genau das genehmigte Kapital nebst Ausschluss des Bezugsrechts sinnvoll verwendet werden könne.

Die Aktionäre seien vor einem rechtswidrigen Ausschluss ihres Bezugsrechts dadurch geschützt, dass der Vorstand unter Kontrolle des Aufsichtsrats zu prüfen habe, ob eine konkrete Maßnahme gerechtfertigt und von der Ermächtigung gedeckt sei, und dass Aktionäre die Entscheidung des Vorstands mit einer Unterlassungs- oder Feststellungsklage überprüfen lassen könnten. Bei Zuwiderhandlungen bestünden Sekundäransprüche. Zudem komme die Darlegungs- und Beweislast dem Aktionärsschutz entgegen, da die Gesellschaft darzulegen und zu beweisen habe, dass die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt sei und die Grenzen der Ermächtigung einhalte.

Der Beschluss der Hauptversammlung sei so auszulegen, dass er die im Vorstandsbericht genannten Beispielsfälle umfasse und die Verwaltung bei der Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts entsprechend binde. Vorstandsberichte, die den Aktionären bei der Einberufung der Hauptversammlung bekannt gemacht oder gem. § 186 Abs. 4 S. 2 AktG zugänglich gemacht, sodann gem. § 130 Abs. 3 AktG der Niederschrift als Anlage beigefügt oder in die Niederschrift aufgenommen und nach der Versammlung gemäß § 130 Abs. 5 AktG in öffentlich beglaubigter Abschrift zum Handelsregister eingereicht werden, seien bei der Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu berücksichtigen.

Wer Aktionär ist, ob etwa ein Großaktionär vorhanden ist, wirke sich nicht auf die Anforderungen an den Ermächtigungsbeschluss aus.