Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

EuGH zum Urheberrecht: Abbilden eines im Internet bereits frei zugänglichen Fotos auf einer Website als öffentliche Wiedergabe

Auf eine Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss v. 23.02.2017, I ZR 267/15) hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ urheberrechtlich geschützter Werke im Internet befasst. Danach ist der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dahingehend auszulegen, dass er die Einstellung einer Fotografie auf eine Website erfasst, wenn die Fotografie zuvor ohne beschränkende Maßnahmen, die das Herunterladen verhindern, und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers auf einer anderen Website veröffentlicht worden ist.

Hintergrund war die Klage eines Fotografen gegen das Land Nordrhein-Westfalen, nachdem eine Schule auf deren Website ein Referat einer Schülerin eingestellt hatte, das mit einem Foto des Klägers illustriert war. Die Abbildung der Stadt Córdoba hatte die Schülerin der Website eines Reisemagazin-Portals entnommen und diese unter dem Foto als Quelle angegeben. Ein Urhebervermerk zugunsten des Klägers fehlte. Schutzmaßnahmen gegen das Kopieren bzw. die Verbreitung des Bildes hatte der Betreiber des Portals nicht ergriffen. Der Fotograf begehrte im Klagewege Unterlassung sowie Schadenersatz.

Der EuGH verweist darauf, dass der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ nach den Erwägungsgründen der Richtlinie 2001/29/EG weit zu verstehen sei, da die Richtlinie bezwecke, zugunsten der Urheber (und Inhaber verwandter Schutzrechte) ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Eine öffentliche Wiedergabe sei daher auch dann anzunehmen, wenn eine Abbildung bereits auf einer anderen Website uneingeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestanden habe.

Eine Wiedergabe-Handlung liege vor, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk von einer Website auf einen Server gespeichert und von diesem auf die eigene Website hochgeladen werde. Was die Öffentlichkeit der Wiedergabe betrifft, verweist der EuGH auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach Öffentlichkeit eine unbeschränkte Zahl potentieller Adressaten bedeutet und eine ziemlich große Zahl von Personen erfordere. Das treffe für die Website einer Schule zu. Hinzukommen müsse, dass die in Streit stehende Wiedergabe entweder ein neues technisches Verfahren anwende oder ein neues Publikum eröffne. Neu sei ein Publikum, wenn der Urheber an diese Adressatengruppe nicht gedacht habe, als er die Erlaubnis zur Veröffentlichung erteilte.

Für die Definition des neuen Publikums stellt der EuGH auf die effektive Durchsetzung des Rechts des Urhebers ab, die Veröffentlichung zu untersagen. Hierfür müsse ihm jedoch vorab bekannt sein, wo bzw. durch wen sein Werk veröffentlicht werden soll. Daher geschehe die Wiedergabe eines zuvor kopierten Werks gegenüber einem neuen Publikum. Das Zugänglichmachen auf diese Weise sei nicht mit einem bloßen Link auf die ursprünglich veröffentlichende Website zu vergleichen. Durch eine andere Auslegung würde eine Erschöpfung des Rechts der öffentlichen Widergabe geschaffen, die jedoch nicht vorgesehen sei.

Das Recht auf Bildung stehe dem nicht entgegen, auch liege kein bloßer (erlaubter) Unterrichtsgebrauch vor. Im Übrigen dürfe das Recht des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe nicht an irgendwelche Förmlichkeiten geknüpft werden, so dass unerheblich sei, ob technische Schutzmaßnahmen gegen unerwünschtes Kopieren ergriffen wurden.