Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Gemeinsamer Senat des BGH muss voraussichtlich über Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten entscheiden

Auf eine Anfrage des V. Zivilsenats des BGH hat der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat mit Beschluss vom 08.10.2020 (VII ARZ 1/20) mitgeteilt, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten, dass im Werkvertragsrecht Schadenersatz statt der Leistung nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber noch nicht aufgewendeten (fiktiven) Mangelbeseitigungskosten bemessen werden darf.

Der u.a. für Grundstücks- und Wohnungseigentumssachen zuständige V. Zivilsenat hatte mit Vorlagebeschluss vom 13.03.2020 (V ZR 33/19) eine diesbezügliche Anfrage gestellt, da er in einem Verfahren über die Mangelbeseitigung einer gekauften Eigentumswohnung dem Käufer Schadenersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten zusprechen möchte.

Hieran sieht er sich jedoch durch das Urteil des VII. Zivilsenats des BGH vom 22.02.2018 (VII ZR 46/17) gehindert, mit dem letzterer seine Rechtsprechung dahingehend geändert hat, dass er nunmehr die Schadenberechnung aufgrund fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Rahmen von §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB als unzulässig erachtet. Zulässig sei nur der Ersatz von tatsächlich angefallenen Mangelbeseitigungskosten oder aber, werde der Mangel nicht beseitigt, des Minderwerts. Dies gelte auch für im Bauwerk bereits verwirklichte Planungs- und Überwachungsfehler von Architekten. Der Besteller sei hinreichend dadurch geschützt, dass er vom Werkunternehmer Vorschuss gem. §§ 634 Nr. 2, 637 BGB verlangen könne. Dass letzteres nicht für Architekten gelte, sei unschädlich, da der Besteller auch von diesen entsprechend §§ 634 Nr. 4, 280 BGB Vorfinanzierung durch Zahlung eines zweckgebundenen Betrags fordern könne.

Der V. Zivilsenat erkennt in dieser Begründung verallgemeinerungsfähige Überlegungen zum Schadenbegriff und zur Gefahr einer Überkompensation, die im Kern die Auslegung der §§ 280, 281 BGB betreffen. Die hierauf verweisenden Nacherfüllungsregelungen in §§ 437 Nr. 1, 439 BGB einerseits und §§ 634 Nr. 1, 635 BGB andererseits entsprächen einander, so dass jedenfalls die bisherige Begründung des Urteils vom 22.02.2018 (VII ZR 46/17) nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt sei.

Indes will der V. Zivilsenat an der Möglichkeit, fiktive Mangelbeseitigungskosten zu verlangen, festhalten, da zulässiger Anknüpfungspunkt der Nacherfüllungsanspruch sei, anhand dessen Kosten der Schadenersatz bemessen werden könne. Dadurch würden Anreize für den Verkäufer vermieden, die vorrangige Nacherfüllung abzulehnen. Die Gefahr einer Überkompensation sieht der V. Zivilsenat dagegen nicht.

Der VII. Zivilsenat hat seine geänderte Auffassung nun bestätigt und verweist u.a. auf werkvertragliche Besonderheiten; ein Gleichlauf zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht sei daher nicht geboten. Zudem stelle die Vermeidung einer Überkompensation ein allgemeines schadenrechtliches Prinzip dar. Beispielhaft verweist der V. Zivilsenat auf den aus seiner Sicht typischen Fall, in dem ein Besteller den Auftrag erteilt, den Küchenfußboden bei einem Preis von € 40.000,00 mit bestimmten Steinplatten zu fliesen. Verwende der Unternehmer eine leicht abweichende Farbe, könne der Besteller aber damit leben, könne jener die geschätzten Mangelbeseitigungskosten von € 60.000,00 (Entfernen der Steinplatten und Neuverlegung incl. Aus- und Einbau der Küchenmöbel, Ersatzunterbringung des Bestellers) als fiktiven Schaden verlangen. Er erhielte im Ergebnis also eine kostenlose Verlegung neuer Natursteinplatten sowie zusätzlich € 20.000,00. Dies gehe über einen angemessenen Schadenausgleich weit hinaus. Gleiches gelte für die werkvertragliche Leistungskette. Auch an der Auffassung einer möglichen Vorfinanzierung zur Beseitigung des Planungs- oder Überwachungsfehlers eines Architekten hält der VII. Zivilsenat fest und meint, so werde der gesamtschuldnerischen Haftung von Architekt und Unternehmer bei Leistungsstörungen Rechnung getragen.

Nachdem der V. Zivilsenat eine erhebliche Abweichung in der Rechtsprechung beider Senate bejaht, ist von einer Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen gem. § 132 Abs. 2 und 3 GVG auszugehen.