Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Kein schutzwürdiges Vertrauen in antragsgemäße Fristverlängerung bei datierter Verfügung des Gerichts

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 27.09.2022 erneut die strengen Anforderungen an das Vertrauen von Parteien in Fristverlängerungen bestätigt. Danach hat sich die Partei auf die vom Gericht mitgeteilte Fristverlängerung einzustellen, auch wenn diese hinter dem Antrag zurückbleibt oder ggf. auf einem Irrtum oder Schreibfehler beruht.

Der Beschluss (Az. VI ZB 66/21) erging in einem Schadenersatz-Verfahren, in dem das erstinstanzliche Urteil am 21. eines Monats zugestellt wurde, die ursprüngliche Frist zur Berufungsbegründung wegen eines Sonntags jedoch erst am 22. Tag des übernächsten Monats ablief. Auf den Antrag, die Frist um einen Monat zu verlängern, gewährte das Gericht (dem Zustellungsdatum folgend) eine Fristverlängerung nur bis zum 21. des Folgemonats. Am 22. jenes Monats beantragte der Rechtsmittelführer eine weitere Fristverlängerung, die das Berufungsgericht wegen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist zurückwies. Der Wiedereinsetzungsantrag des Rechtsmittelführers, der sich u.a. darauf gestützt hatte, er sei davon ausgegangen, dass es sich bei der Fristverlängerung zum 21. um einen Schreibfehler gehandelt habe, blieb ohne Erfolg. Der BGH hat die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Zwar dürfe ein Rechtsanwalt, der erhebliche Gründe i.S.v. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO geltend mache, grundsätzlich auf die positive Bescheidung eines ersten Fristverlängerungsantrags vertrauen. Das gelte jedoch dann nicht, wenn ihm eine gerichtliche Verfügung über die Verlängerung einer Frist bis zu einem bestimmten Datum vorliege. Der Rechtsanwalt dürfe insbesondere nicht von einem Irrtum des Gerichts oder einer offenbaren Unrichtigkeit der Verfügung ausgehen.

Der ordentliche und gewissenhafte Rechtsanwalt habe sich auf die nur verkürzte Fristverlängerung einzustellen. Alternativ müsse er sich rechtzeitig vor Fristablauf mit dem Berufungsgericht in Verbindung setzen, um zu klären, ob es sich tatsächlich um einen Irrtum handele, so der BGH weiter.

Anderes ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass die Verfügung über die Fristverlängerung keine ausdrückliche Zurückweisung des darüber hinausgehenden Antrags enthält. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung gehe in derartigen Fällen von einer stillschweigenden Ablehnung des weitergehenden Antrags aus. Auch eine etwaige Zustimmung des Prozessgegners zur beantragten Fristverlängerung begründe kein schutzwürdiges Vertrauen der Partei in eine weitergehende Verlängerung als in der Verfügung festgehalten.

Diese Würdigung verletze nicht den Anspruch einer Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG.

Anders kann es sich allerdings darstellen, wenn der Partei eine Entscheidung über eine Fristverlängerung nicht zugeht und das Gericht selbst die zunächst verkürzte Fristverlängerung in zulässiger Weise gemäß § 319 ZPO berichtigt, so ein weiterer Beschluss des VI. Zivilsenats vom 20.09.2022 (VI ZB 48/21).