Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Kein Unterlassungsanspruch von Bürgern gegen Transportunternehmen aus einem LKW-Durchfahrtverbot

Anwohner einer LKW-Durchfahrtverbotszone können dieses Verbot nicht selbst klageweise gegen Speditionen durchsetzen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Planmaßnahme wie die großflächige Umwelt- und LKW-Durchfahrtverbotszone in Stuttgart i.V.m. dem Bundes-Immissionsschutzgesetz lediglich dem Schutz der Allgemeinheit dient, nicht der einzelnen Anwohner. Es handele sich nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des Deliktsrechts.

Die Eigentümer mehrerer Grundstücke innerhalb der Stuttgarter Umwelt- und LKW-Durchfahrtsverbotszone hatten gegen ein Transportunternehmen geklagt, dessen LKW mehrmals täglich eine in der Nähe der Grundstücke gelegene Straße durchfahren. Sie verlangten von der Spedition, die Durchfahrten auf dieser Straße zu unterlassen, da dies die Feinstaub- und Stickoxidbelastung auf ihren Grundstücken erhöhe und ihre Gesundheit gefährde.

Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 14.06.2022 (Az. VI ZR 110/21) zunächst festgehalten, dass sich ein Unterlassungsanspruch nicht durch eine Verletzung der Gesundheit der Kläger (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB) begründen lässt. Auch könnten die Kläger sich gegenüber der Spedition nicht auf eine wesentliche Beeinträchtigung in der Nutzung ihrer Grundstücke (§ 906 BGB) berufen.

Näher begründet hat der BGH sodann, dass Ansprüche sich auch nicht aus der Verletzung eines sog. Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB) ergeben. Das Durchfahrtverbot beruhe auf § 40 Abs. 1 S. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Luftreinhalteplan der Landeshauptstadt Stuttgart. Bei diesen Normen handele es sich jedoch nicht um ein Schutzgesetz in dem Sinne, dass es einzelnen Anwohnern einen individuellen Anspruch auf Unterlassung von Verstößen gegen das Durchfahrtverbot gewähre.

Insoweit bekräftigt der BGH seine Rechtsprechung, wonach ein Schutzgesetz in diesem Sinne nur dann vorliegt, wenn die Norm zumindest auch dem Zweck dient, einzelne Personen oder Personengruppen vor der Verletzung der Norm zu schützen. Nicht genügend sei, dass die Rechtsnorm faktisch auch einen individuellen Schutz bewirke. Für den entschiedenen Fall hat der BGH festgestellt, dass das Durchfahrtverbot nicht nur für bestimmte Straßen angeordnet wurde, um deren Anlieger zu schützen, sondern für das gesamte Stadtgebiet. Das Verbot diene der allgemeinen Verbesserung der Luftqualität und der Einhaltung von Immissionsgrenzwerten. Dass dadurch auch die Anlieger bestimmter Straßen begünstigt würden, genüge für einen individuellen Unterlassungsanspruch nicht. Bereits aufgrund des großen Umfangs der Verbotszone könne nicht unterstellt werden, dass Immissionen eines die Verbotszone durchfahrenden LKW für jeden Anwohner ggf. an einem entfernteren Ort der Zone eine unmittelbare Gesundheitsgefahr begründe. Es sei nicht möglich, einen konkreten Personenkreis zu ermitteln, dessen Schutz das Durchfahrtverbot diene.