Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

„Negativzinsen“ auf Girokonten bei transparenter Regelung zulässig

Der Bundesgerichtshof hat am 04.02.2025 entschieden, dass sog. Verwahrentgelte bzw. „Negativzinsen“ bei Girokonten von Verbrauchern zulässig sein können, wenn sie auf transparenten Klauseln beruhen, nicht aber bei Tagesgeld- oder Sparkonten.

In vier ähnlich gelagerten Verfahren (Az. XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23, XI ZR 183/23) hatte der BGH auf Klagen von Verbraucherschutzverbänden gegen verschiedene Banken darüber zu entscheiden, ob sog. Negativzinsen, auch bezeichnet als Verwahrentgelte bzw. Guthabenentgelte, auf Girokonten sowie Tagesgeld- und Sparkonten erhoben werden dürfen.

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass beim Girovertrag mit dem Verwahrentgelt eine Hauptleistung vergütet wird. Daher unterlägen Klauseln über Verwahrentgelte betreffend Girokonten nicht der Inhaltskontrolle nach AGB-Recht. Denn bei Giroverträgen handele es sich um typengemischte Verträge, die teilweise dem Zahlungsdienste- und dem Darlehensrecht sowie der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 488 ff. BGB) zuzuordnen seien. Außer der Erbringung von Zahlungsdiensten sei die Verwahrung von Kontoguthaben eine wesentliche Leistung bzw. Hauptleistung des Girovertrags. Zudem lasse die früher teilweise übliche geringe Verzinsung der Guthaben auf Girokonten erkennen, dass diese Guthaben nicht nur dazu dienten, am Zahlungsverkehr teilzunehmen. Die Privatkunden hätten ein Interesse an der sicheren Verwahrung ihres Geldes auf dem Girokonto unter dem Schutz auch der Einlagensicherung. Überdies könnten die Banken jedenfalls 10 % der Giroguthaben im Aktivgeschäft als Sicherheit verwenden.

Allerdings unterlägen Klauseln über Verwahrentgelte der Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie müssten u.a. hinsichtlich der Höhe des Entgelts bestimmt sein, was nicht nur die klare Angabe eines Prozentsatzes und gewährter Freibeträge beinhalte. Zugleich müsse angegeben werden, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt beziehe, d.h. ob dieses taggenau berechnet werde und welcher konkrete Zeitpunkt im Laufe des Tages oder sonstigen Zeitraums maßgeblich sei.

Demgegenüber unterlägen Klauseln über Verwahrentgelte für Einlagen auf Tagesgeldkonten oder Spareinlagen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Denn sie veränderten die Hauptleistungspflicht der Bank und wichen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise ab. Ersparnisse auf Spar- und Tagesgeldkonten dienten vor allem auch Sparzwecken, die Konten würden häufig z.B. mit „attraktiven“ Renditen oder Zinsen beworben. Verwahrentgelte, ggf. in Verbindung mit einem minimalen Zinssatz – in einem der entschiedenen Fälle stand dem Verwahrentgelt von 0,5 % p.a. ab einem Guthaben von € 50.000,00 ein Zinssatz von 0,001 % p.a. gegenüber – führten dazu, dass das Kapital täglich sinke, bis es den vereinbarten Guthaben-Freibetrag erreiche. Das widerspreche dem Spar- und Anlagezweck von Tagesgeld- und Sparkonten, nachdem das eingezahlte Kapital mindestens zu erhalten ist, und benachteilige Verbraucher in unzulässiger Weise. Verwahrentgelte würden auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass Kreditinstitute über mehrere Jahre auf bestimmte Einlagen bei der jeweiligen Zentralbank „negative Zinsen“ zahlen mussten.

Schließlich hat der BGH wiederholt, dass eine Klage eines Verbraucherschutzverbands auf Rückzahlung von unberechtigt vereinnahmten Entgelten an die betroffenen Verbraucher unzulässig ist.