Notwendige Geltendmachung eines die Nichtzulassungsbeschwerde ermöglichenden Streitwerts in den Tatsacheninstanzen
Hintergrund der Entscheidung war ein wettbewerbsrechtliches Verfahren, in dem die Unterlassung von Werbung für Stromversorgungsverträge mit einem Preisvergleich ohne Nennung wesentlicher vertraglicher Konditionen begehrt wurde. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und den Streitwert unter Bezugnahme auf ein vorangegangenes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf € 15.000,00 festgesetzt. Das Berufungsgericht hatte die Klage unter identischer Streitwertfestsetzung dagegen abgewiesen und eine Anhörungsrüge der Klägerin zurückgewiesen. Das Berufungsurteil enthielt gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO keine Tatbestandsdarstellung. Auf eine nachfolgende Streitwertbeschwerde der Klägerin hatte das Landgericht den Streitwert auf € 40.000,00 festgesetzt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde (Az. I ZR 152/23) seine Rechtsprechung bestätigt, wonach das Revisionsgericht selbst über die Höhe der vom Beschwerdeführer geltend zu machenden Beschwer befindet, ohne an eine Streitwertfestsetzung durch das Vorgericht gebunden zu sein, zumal diese fehlerhaft sein könne. Die Beschwer bemisst sich nach ständiger BGH-Rechtsprechung am Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angegriffenen Entscheidung. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die letzte mündliche Verhandlung der Vorinstanz einschließlich der bis dahin vorgetragenen Umstände.
Hat sich eine Partei in den Tatsacheninstanzen weder gegen die Streitwertfestsetzung gewehrt noch glaubhaft gemacht, dass weitere wesentliche Umstände für die Wertbemessung zu berücksichtigen seien, kann sie sich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erstmals darauf berufen, der Streitwert sei höher – in einer die Nichtzulassungsbeschwerde ermöglichenden Höhe – festzusetzen.
Im entschiedenen Fall genügten die Angabe eines Streitwerts von € 40.000,00 in der Klageschrift, die Streitwertbeschwerde unter Verweis darauf, dass der Wert im einstweiligen Rechtsschutz regelmäßig um ein Drittel geringer angesetzt werde als in der Hauptsache, was zu einer falschen Berechnung geführt habe, und schließlich die Darlegung der Marktposition und des Versorgungsgebiets der Parteien (deutschlandweiter Vertrieb), die einen Gegenstandswert von mindestens € 30.000,00 rechtfertigten. Außerdem habe die Klägerin schon zu Beginn des Berufungsverfahrens die Streitwertfestsetzung des Landgerichts beanstandet und den ihrer Auffassung nach korrekten Wert dargelegt. Auf dieser Grundlage hat der BGH eine Beschwer von € 30.000,00 angenommen, was die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft machte.
Hat das Berufungsgericht angenommen, ein Rechtsmittel sei wegen des geringen Streitwerts nicht statthaft, und deshalb nach §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO tatbestandliche Feststellungen nicht getroffen, begründet das allein noch keinen Grund zur Zulassung der Revision. Allerdings ist der Vortrag des Beschwerdeführers, soweit er nicht anhand des Urteils verifiziert werden kann, als richtig zu unterstellen. Daraus kann sich – wie im Streitfall – etwa eine Gehörsverletzung ergeben, wenn nicht festgestellt werden kann, ob das Berufungsgericht bestimmten, von der Partei als wesentlich geltend gemachten Vortrag beachtet hat.
Aufgrund dieser Rechtsprechung kann es sich in Zweifelsfällen selbst bei ausreichend hoher Festsetzung des Streitwerts durch das erstinstanzliche und das Berufungsgericht lohnen, tatsächliche Anhaltspunkte für die Streitwertbemessung frühzeitig vorzutragen. Denn der BGH muss bei der Prüfung der ausreichenden Beschwer i.S.v. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auch einer Annahme eines ausreichend hohen Streitwerts nicht folgen.