Dr. Christian Zwade » Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof

Rechtsanwalt schuldet Hinweis auf Steuerrisiken / keine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens bei Einfluss Dritter

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 09.01.2020 (IX ZR 61/19) entschieden, dass auch ein Rechtsanwalt, der nicht mit der steuerlichen Beratung beauftragt ist, den Mandanten darauf hinweisen muss, dass (ggf. unüberschaubare) steuerliche Risiken drohen können. Allerdings könne sich der ehemalige Mandant im Verfahren der Anwaltshaftung dann nicht auf die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens berufen, wenn die vernünftigerweise zu treffende Entscheidung von der Mitwirkung eines Dritten abhängt.

Der Entscheidung lag die Klage einer ehemaligen Mandantin gegen ihren vormaligen Rechtsanwalt zugrunde, der sie im Rahmen einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung beraten hatte. In dieser verpflichtete sich die Klägerin u.a., ihrem Ehemann zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs ein Mietshaus zu übereignen. Die Klägerin war und ist Eigentümerin eines weiteren Mietshauses. Aufgrund der Übertragung setzte das Finanzamt eine Steuer gem. §§ 22 Nr. 2, 23 EStG (sog. „Spekulationssteuer“) in mittlerer fünfstelliger Höhe fest. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gelang es der Klägerin, unter Berufung auf ein Wertgutachten über die Immobilie, die Steuer auf knapp die Hälfte zu senken. In dem sich anschließenden Regressverfahre gegen den Rechtsanwalt machte die Klägerin geltend, dieser hätte sie zumindest auf die drohende Steuerlast bzw. die notwendige Konsultation eines Steuerberaters hinweisen müssen.

Der BGH hat festgehalten, dass ein Rechtsanwalt im Rahmen eines auf die zivilrechtliche Beratung beschränkten Mandats keine steuerliche Beratung schuldet. Andererseits ist er verpflichtet, den Rechtssuchenden über die Folgen seiner Erklärungen zu belehren und vor Irrtümern zu bewahren. Daher kann er, so der BGH weiter, auch bei einem gegenständlich beschränkten Mandat zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des eigentlichen Vertragsgegenstands verpflichtet sein. Dies setze voraus, dass die drohende Gefahr für den Anwalt offenkundig war oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufgedrängt hätte.

Dies sei für die Einkommensteuer bei Veräußerung eines nicht selbst genutzten Grundstücks weniger als zehn Jahre nach dessen Erwerb der Fall. Hierauf sei in der familienrechtlichen Fachliteratur hingewiesen worden. Der beratende Rechtsanwalt hätte die Klägerin daher an einen Steuerberater verweisen müssen.

Allerdings komme der Klägerin nicht die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens zugute. Danach ist anzunehmen, dass der Mandant der Empfehlung des Beraters gefolgt wäre, wenn es für einen vernünftig urteilenden Mandanten nur eine sachgerechte Entscheidung gab. Hierauf hatte sich die Klägerin berufen und geltend gemacht, dass sie ihr anderes Mietshaus an den Ehemann übereignet hätte, wofür keine Einkommensteuer zu entrichten gewesen wäre. Der BGH erteilte dem eine Absage, da die Entscheidung aufgrund ordnungsgemäßer Beratung nicht allein von der Klägerin als Mandantin, sondern auch von der Bereitschaft ihres Ehemannes abhing, die andere Immobilie zu übernehmen. Insoweit bedürfe es konkreter Feststellungen des Tatrichters.

Schließlich hat der BGH festgehalten, dass zum ersatzfähigen Schaden auch die Kosten eines Wertgutachtens zählen, durch welches ein geringerer Verkehrswert eines für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Grundstücks nachgewiesen wird, um die Steuerlast zu verringern. Diese Beurteilung entspricht der seit langem anerkannten Differenzhypothese, wonach der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde. Gutachterkosten wären bei ordnungsgemäßer Beratung nicht angefallen.