Verzugsschaden auch bei Abtretung des Ersatzanspruchs an Erfüllung statt - Konzerninkasso
Das lesenswerte Urteil vom 19.02.2025 (VIII ZR 138/23) betraf ein Musterklageverfahren des Dachverbands von Verbraucherschutzorganisationen gegen ein Unternehmen, das Forderungen aufkauft; ein weiteres demselben Konzern angehörendes Unternehmen ist als Inkassodienstleisterin tätig. Auch die beklagte Forderungsaufkäuferin ist als Inkassodienstleister registriert, verfügt aber nicht über eine eigene Mahn- und Vollstreckungsabteilung, erbringt auch keine Inkassodienstleistungen. Sie beauftragt daher das im Inkassobereich tätige Schwesterunternehmen mit Forderungseinziehung. In einer Rahmenvereinbarung der Unternehmen ist u.a. geregelt, dass die Inkassovergütung der Beklagten rechnerisch belastet wird, die Inkassodienstleisterin die Zahlung der Inkassovergütung gegenüber den Schuldnern der Forderungen geltend macht und Zahlungen der Schuldner zuerst auf die Inkassokosten verrechnet. Nicht realisierte Ansprüche auf Inkassovergütungen werden von der Beklagten an Erfüllung statt an das Inkassounternehmen abgetreten. Der Verbraucherschutzverband begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass die von Schuldnern verlangten Inkassokosten keinen Verzugsschaden der Forderungsaufkäuferin darstellten.
Anders als das Berufungsgericht erachtet der BGH die Inkassokosten auch im Konzernverbund und dann als ersatzfähigen Verzugsschaden, wenn der Forderungsinhaber die Inkassokosten nicht selbst bezahlen muss, sondern bei erfolgloser Einziehung lediglich seinen Ersatzanspruch gegen den Schuldner an Erfüllung statt abtritt. Zur Begründung stellt der BGH die dogmatischen Grundlagen des zivilrechtlichen Verzugsschadens dar, nach denen ein adäquat durch (Zahlungs-)Verzug verursachter Schaden auch Rechtsverfolgungs- bzw. Inkassokosten umfasst, wenn der Inkassoauftrag nach Verzugseintritt erteilt wird und der Gläubiger diese für erforderlich und zweckmäßig zur Rechtsverfolgung ansehen durfte.
Rechtsverfolgungs- und Inkassokosten stellten nach der schadenrechtlichen Differenzhypothese bereits dann einen Schaden dar, wenn der Geschädigte mit diesen im Sinne einer Verbindlichkeit belastet sei, nicht erst, wenn er diese tatsächlich bezahlen müsse. Eine in Geld messbare Einbuße sei erst dann zu verneinen, wenn die Verbindlichkeit rechtlich (ganz oder teilweise) keinen Bestand habe. So seien etwa unfallbedingte Mietwagen- und Sachverständigenkosten auch dann als Schaden anerkannt, wenn der Geschädigte seinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger an den Sachverständigen oder Vermieter abtrete. Danach liege auch bei dem Vergütungsmodell der Beklagten ein Schaden in Form der vereinbarten Inkassovergütung vor. Im Übrigen sei zu beachten, dass Stundungs- und Abtretungsvereinbarungen ausschließlich das Innenverhältnis der Vertragspartner, hier zwischen Beklagter und Inkassounternehmen, beträfen. Soweit die Beklagte von der tatsächlichen Zahlung der Inkassokosten entlastet werde, würde die Inkassodienstleisterin mit dem Risiko deren Realisierung belastet. Derartige Stundungs- und Abtretungsvereinbarungen dienten nicht dazu, den säumigen Schuldner zu begünstigen. Ferner sei zu bedenken, dass die beklagte Forderungsinhaberin nur deshalb nicht zur tatsächlichen Zahlung der Inkassokosten verpflichtet sei, weil vereinbart sei, dass die Inkassodienstleisterin diese bei dem Schuldner beitreibe. Wäre der Schuldner wegen der Abrede nicht zum Ersatz der Inkassokosten verpflichtet, weil ein Schaden verneint würde, entstünde das widersprüchliche Ergebnis, dass die Beklagte letztlich doch mit den Inkassokosten belastet sei und einen Schaden erlitte, den sie nicht gegenüber dem Schuldner geltend machen könne.
Die Einschaltung eines Inkassounternehmens sei auch erforderlich und zweckmäßig zur Rechtsverfolgung. Sei ein Schadenfall von vornherein schwieriger gelagert oder werde ein Schaden in einfachen Fällen nicht auf erste Anforderung reguliert, dürfe der Geschädigte einen Rechtsanwalt bzw. alternativ ein Inkassounternehmen mit der Geltendmachung der Forderung beauftragen. Der Gläubiger tue das Erforderliche, indem er den Schuldner in Verzug setze, eine weitere Verzögerung müsse er nicht hinnehmen. Die Erforderlichkeit entfalle nicht angesichts der Eintragung der Beklagten im Rechtsdienstleistungsregister, da sie die erforderlichen Mitarbeiter und Infrastruktur nicht vorhalte. Dem stehe ferner die Konzernverbundenheit der Beklagten und des Inkassounternehmens nicht entgegen, denn die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten hänge nicht von der gewählten Organisation des Forderungseinzugs ab. Habe der Gläubiger seiner Obliegenheit zur Rechnungstellung und Erstmahnung genügt, könne er vom Schuldner den Ersatz der Kosten verlangen, die ihm durch Einschaltung eines Rechtsanwalts oder ein Inkassounternehmens entstünden. Auf eine Konzernverbundenheit komme es dann nicht an. Zudem sei es nicht missbräuchlich im wettbewerbsrechtlichen Sinn, wenn der Forderungsinhaber nicht das wirtschaftliche Risiko der Forderungsbeitreibung trage; denn die Inkassodienstleisterin treibe in erster Linie die Hauptforderung bei, verfolge also ein schutzwürdiges Interesse. Ferner beseitige die Konzernverbundenheit nicht die vertragliche Pflicht, die Inkassovergütung zu bezahlen.
Eine Vergütung nach den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes für jeden einzelnen Inkassofall sei ebenfalls nicht zu beanstanden; dass die Unternehmen durch einen Rahmenvertrag verbunden seien, verpflichte sie nicht dazu, niedrigere Vergütungen zu vereinbaren und den Schuldner so zu entlasten.