Voraussetzungen der Parteivernehmung von Amts wegen und Indizienwürdigung im Rahmen von § 286 ZPO
Anlass dieses Urteils war ein Rechtsstreit zwischen den Erben und dem Kontobevollmächtigten eines Erblassers u.a. um Barabhebungen und behauptete Geldübergaben zwischen den Parteien.
Die Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO, über die der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei besteht. Dieser sogenannte "Anbeweis" kann sich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme, aber auch der Anhörung der Parteien oder dem bisherigen Parteivortrag ergeben. Die Parteivernehmung nach § 448 ZPO setzt weiter voraus, dass sich eine Partei in Beweisnot befindet, d.h. ihr keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder diese nicht ausreichen. Daher müssen sämtliche angebotenen Beweismittel vor einer Parteivernehmung von Amts wegen ausgeschöpft sein, auch die Parteivernehmung nach §§ 445, 447 ZPO.
Auch muss die beweisbelastete Partei, um ihre Vernehmung von Amts wegen zu ermöglichen, alle ihr zumutbaren Beweismittel angeboten haben. Vorhandene Zeugen müssen daher vollständig benannt werden. Ausgenommen sind jedoch jene, die im Lager der gegnerischen Partei stehen, sowie die Parteivernahme des Gegners selbst.
Der BGH stellt weiterhin nochmals klar, dass das Gericht nach § 286 ZPO verpflichtet ist, den ihm dargebotenen Sachverhalt und die Beweisergebnisse umfassend und vollständig zu würdigen. Dazu zählt auch die Würdigung bloßer Indizien, die Zeugen äußern. Das Gericht dürfe sich nicht darauf beschränken, zu prüfen, ob der unmittelbare Beweis erbracht sei. Es müsse sich auch damit befassen, ob sich aus Zeugenaussagen sog. Hilfstatsachen ergeben, aus denen zumindest mittelbar geschlossen werden kann, dass die Darstellung der beweispflichtigen Partei wahrscheinlich ist. Zu würdigen sei auch, ob Zeugen derartige Details bzw. Indizien von sich aus oder auf Befragen angeben, woraus sich Schlüsse für die Authentizität der Aussagen ergben. So hatten in dem entschiedenen Fall die vernommenen Zeugen von sich aus zumindest Anhaltspunkte dafür bekundet, dass sich in den übergebenen Briefumschlägen bzw. Geldtaschen nicht nur Unterlagen, sondern auch größere Geldbeträge befanden. Namentlich hätten sie zur vorherigen Lagerung des Geldes in einem Tresor und der beabsichtigten Übergabe ausgesagt, zudem, dass die Umschläge nach der Übergabe schnell "weggesteckt" wurden und dass außer den Umschlägen noch Unterlagen übergeben wurden.
Übersieht das erstinstanzliche Gericht derartige Indizien, ist das Berufungsgericht verpflichtet, selbst erneut Beweis zu erheben. Dies kann nur unterbleiben, wenn das Berufungsgericht sich nicht auf Umstände stützt, die die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen, die Wahrheitsliebe der Partei oder die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit deren Aussage betreffen. Das Unterlassen einer notwendigen eigenen Beweisaufnahme und -würdigung verletzt das rechtliche Gehör der beweispflichtigen Partei, Art. 103 Abs. 1 GG. Weiter hält der BGH fest, dass eine eigene Beweisaufnahme des Berufungsgerichts nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stattzufinden hat, wenn dieses "erstmals" eine Zeugenaussage würdigt, selbst wenn deshalb kein Widerspruch zur erstinstanzlichen Würdigung vorliege.
Das vorliegende Urteil zeigt auf, dass das häufige Beweisangebot der Parteivernehmung weiterhin seine Berechtigung hat. Aus Anwaltssicht ist wegen der Subsidiarität der Parteivernehmung von Amts wegen jedoch streng darauf zu achten, mögliche Beweismittel vollständig zu ermitteln und zu benennen. Auf diese Weise wird im Fall der Beweisnot die Parteivernehmung ermöglicht.