Voraussetzungen einer nachträglichen Entscheidung über die Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht
Anlass dieses Beschlusses des BGH vom 22.02.2024 (Az. III ZB 65/23) war die auf Auskunftserteilung gerichtete Stufenklage gegen eine Stiftung, die Alleinerbin verschiedener land- und forstwirtschaftlicher Betriebe einschließlich eines Schlosses und Gestüts geworden war. Die Großnichte der Erblasserin klagte nach u.a. erfolgloser Kandidatur für den Vorstand der Stiftung auf Auskunft über den aktuellen Stand der Stiftungssatzung sowie Daten und Inhalte vorangegangener Satzungsänderungen, da sie die Auffassung vertrat, der Wille der Stifterin sei hinsichtlich des Alters der Vorstandsmitglieder und der Zugehörigkeit eines Familienmitglieds zum Vorstand übergangen worden. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich, das Urteil wurde nach § 709 S. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung von € 2.000,00 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, da die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO notwendige Beschwer nicht erreicht sei. Eine Zulassung der Berufung durch das Landgericht liege nicht vor.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde der beklagten Stiftung als unzulässig zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe zu Recht angenommen, nicht selbst nach § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO über die Zulassung der Berufung entscheiden zu dürfen. Da keine Partei die Zulassung der Berufung beantragt habe, habe das erstinstanzliche Gericht hierüber nicht ausdrücklich entscheiden müssen. Sein Schweigen bedeute Nichtzulassung.
Zwar müsse nach ständiger Rechtsprechung des BGH das Berufungsgericht die Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht dies unterlassen habe, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei von mehr als € 600,00 ausgegangen sei. Voraussetzung dafür sei aber, dass eine solche Annahme des erstinstanzlichen Gerichts feststehe. Das sei im entschiedenen Verfahren nicht der Fall. Offenbleiben könne die umstrittene Frage, ob allein aus der Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistung ein Schluss auf die vom Landgericht angenommene Höhe der Beschwer gezogen werden könne. Zumindest bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten sei ein solcher Schluss nicht möglich, da § 708 Nr. 11 ZPO für diese nicht gelte.
Auch könne das Landgericht fehlerhaft von einer (insgesamt) nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit ausgegangen sein, da es nach § 709 S. 1 ZPO Sicherheitsleistung angeordnet habe. Vermögensrechtlich sei ein Rechtsstreit, wenn der verfolgte Anspruch auf Geld oder geldwerte Gegenstände (Sachen oder Rechte) gerichtet sei. Das gelte auch bei mittelbar auf diese gerichteten Auskunftsbegehren. Im entschiedenen Fall ziele die Klage überwiegend auf die Feststellung, dass die Bestellung von Vorstandsmitgliedern unwirksam, eine Vorstandsentscheidung ermessensfehlerhaft und der Stifterwille missachtet seien, mithin auf nichtvermögensrechtliche Rechtsverhältnisse. Lediglich der Antrag auf Gestattung, eine bestimmte Burg zu betreten und zu benutzen, sei vermögensrechtlich. Ferner könne aus der Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistung nicht auf eine Annahme des Landgerichts, der Mindestwert gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei überstiegen, geschlossen werden. Die Beschwer des zur Auskunft Verurteilten richte sich nach dessen Zeit- und Kostenaufwand für die Erteilung der Auskunft. Der für die Sicherheitsleistung angenommene Betrag von € 2.000,00 erscheine dafür zu hoch; ob das Gericht die Verfahrenskosten eingerechnet habe, könne nicht festgestellt werden. Überdies dürfe das Rechtsbeschwerdegericht nicht prüfen, ob die Entscheidung über die Zulassung der Berufung richtig sei.
Wer gerichtlich auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen wird, sollte erstinstanzlich stets die Zulassung der Berufung beantragen, um bereits im Urteil eine ausdrückliche Entscheidung hierüber herbeizuführen.